Der „surfende“ Dominikaner

Ein Hingucker, eine recht seltsame, auffällige Skulptur bietet sich da dem Betrachter. Wer in der Freiburger Innenstadt auf der Herrenstraße unterwegs ist, schaut wohl zwei Mal hin, wenn er am Haus mit der Nummer 14 vorbeigeht: an der Eckwand im ersten Stock müht sich eine steinerne Figur mit einem ebenfalls steinernen Tuch. Was hat es damit auf sich? Erinnert wird hier an einen Dominikanermönch, den heiligen Raimund von Peñaford (um 1178-1275).

Auf einer kleinen Infotafel, die sich schräg unter der Skulptur auf Augenhöhe befindet, wird die Szene erklärt: „Der Dominikanermönch Raimund (um 1178-1275) ist Patron der Gelehrten des Kirchenrechts. In einem Konflikt mit König Jakob I. von Aragon, der ihm verbot, die Insel Mallorca zu verlassen, konnte er mit seinem Ordensmantel als Segel über das Meer nach Barcelona „surfen“.

Patron der Kirchenrechtler

Dies erklärt auch, warum gerade eine Skulptur des hl. Raimund dieses Haus ziert. Denn als Patron der Gelehrten des Kirchenrechts steht er – sozusagen „von Amts wegen“ – dem Erzbischöflichen Offizialat nahe, das sich in dem Haus befindet. Die bischöfliche Behörde ist für alle Angelegenheiten der kirchlichen Gerichtsbarkeit zuständig. Geleitet wird sie im Auftrag des Erzbischofs vom Offizial (auch Gerichtsvikar genannt).
„Jeder, der sich im Zusammenhang mit dem kirchlichen Leben in seinen Rechten beeinträchtigt fühlt, kann das kirchliche Gericht anrufen. Es kann sich dabei um verschiedene Angelegenheiten wie etwa Ehrverletzung, finanzielle Streitigkeiten (auch zwischen kirchlichen juristischen Personen), Vermögensstreitigkeiten oder Strafverfahren und auch sogenannte Personenstandsverfahren (wie z.B. Ehenichtigkeitsverfahren) handeln. In der Praxis machen die Verfahren zur Eheannullierung den größten Teil in der kirchlichen Gerichtsbarkeit aus“, heißt es auf der Website der Erzdiözese Freiburg ebfr.de über das Erzbischöfliche Offizialat. Und weiter: „Wie im zivilen Bereich gibt es auch in der kirchlichen Gerichtsbarkeit eine Prozessordnung. Sie dient dazu, allen Beteiligten rechtliches Gehör zu schenken und auf nachprüfbare Weise zur Wahrheitsfindung und damit zu einem gerechten Urteil zu gelangen.“

An der Spitze des Ordens

Zurück zur Skulptur des deutschen Bildhauers Wolfgang Eckert aus Furtwangen/Schwarzwald und dem „surfenden“ Dominikaner: Raimund, um 1175 hochadlig und mit den Königen von Aragon verwandt auf Schloss Peñaford bei Barcelona geboren, wurde zu einem der angesehensten Rechtsgelehrten des Mittelalters. Anno 1222 schloss er sich dem neugegründeten Dominikanerorden an und lehrte an der Ordenshochschule. Acht Jahre später, 1230, berief ihn Papst Gregor IX. nach Rom, wo dieser ihn die Gesamtheit der kirchlichen Gesetzestexte überarbeiten ließ. Auch die Summa Theologica des Thomas von Aquin soll auf die Anregung von Raimund zurückgehen.
Raimund war übrigens auch zugegen, als Papst Gregor IX. am 13. Juli 1234 den Ordensgründer Dominikus heiligsprach. Als zweiter Nachfolger des heiligen Dominikus an der Spitze des Ordens (1238-41) förderte Raimund das Apostolat des Ordens unter Juden und Muslimen. In einem echten Bemühen um den Dialog ermutigte er die Brüder, Arabisch zu lernen und den Koran zu studieren. Raimund, der den Bischofsstuhl von Tarragona (Hafenstadt in Katalonien) ablehnte, wirkte als Beichtvater des Königs Jakob I. von Aragon.

Die Mantel-Legende

Der Legende nach soll Raimund sein königliches Beichtkind wegen dessen Lebenswandel getadelt haben. Als dieser aber nicht folgte, kündigte Raimund an, ihn zu verlassen. Unter Androhung der Todesstrafe verbot der König, Raimund mit dem Schiff übers Meer zu fahren, woraufhin dieser seinen Mantel aufs Wasser legte, das Kreuzzeichen darüber machte und fortsegelte.
Raimund starb fast 100-jährig am 6. Januar 1275 in Barcelona. Dort liegt er in einer eigenen Kapelle der Kathedrale Santa Eulalia begraben. Der Dominikanermönch wurde am 29. April 1601 durch Papst Clemens VIII. heiliggesprochen.

Foto oben links: In dem 2017/18 errichteten neuen Gebäude, an dem sich die Skulptur befindet, ist u.a. das kirchliche Gericht (Amt) untergebracht.

Foto links: Das Bild, Detail einer Täfelung, stellt die Mantel-Legende dar. Aufbewahrt wird es im Chor der Basilika Sainte-Marie-Madeleine in Saint-Maximin-la-Sainte-Baume (Département Var/Frankreich).