Der 15. November: Gute Gründe zum Feiern – auch in Freiburg

Beitrag von P. Richard Schenk OP zum 15. November, dem Gedenktag des heiligen Albertus Magnus.

Gegen Ende Januar 2024 werden bekanntlich die deutschsprachigen Provinzen der Predigerbrüder zusammengelegt – und zwar unter einem Patronat, das die beiden Gebiete schon lange verbindet: künftig also die „Dominikanerprovinz des hl. Albert in Deutschland und Österreich“. Albertus Magnus wurde zwar um 1200 in Lauingen an der Donau geboren, war für kurze Zeit auch Bischof in Regensburg, wirkte vor und nach diesem Dienst in Regensburg auch an verschiedenen Orten im damals süddeutschsprachigen Raum (also auch in Straßburg), galt aber im Orden als Sohn des Kölner Konventes, wo er zuerst und am längsten als Dominikaner gewohnt und gewirkt hat, wo er ab 1248 ein Provinzstudium zu einem Studium generale des ganzen Ordens (und zu einer Keimzelle der späteren Universität) ausbaute, wo er wiederholt in Streitigkeiten zwischen Bürgern und Bischof vermittelte, auch wo er gestorben und begraben wurde. Seine Grabstätte befindet sich heute in der St. Andreas-Kirche in Köln. Das Albertus-Magnus-Institut des Erzbistums Köln mit Sitz in Bonn ist heute das führende Zentrum für die Texte von und die Forschung zu Albert: vgl. http://www.albertus-magnus-institut.de/. Die neue Gesamtprovinz sucht im Vorbild dieses großen Heiligen Impulse zur Erneuerung der eigenen Größe als Predigerbrüder.

Beginn der Lehrtätigkeit des frater Albertus

Berichte über den ersten Nachfolger des hl. Dominikus, den seligen Jordan von Sachsen, und über seine erfolgreiche Werbung für den jungen Orden an zahlreichen Universitäten, auch an der Universität Padua, wo Albert von Lauingen gerade zu dieser Zeit studiert hatte, lassen uns das Jahr des Ordensantritts von Albert auf 1229 oder wahrscheinlicher auf 1223 – also gerade vor 800 Jahren – datieren. Kurz nach dem Ordenseintritt und aufgrund seiner bereits absolvierten Studien in Padua begann Albert ein etwa vierjähriges theologisches Studium in Köln. Ab 1233 oder 1234 begann der noch kaum bekannte frater Albertus seine Lehrtätigkeit an den kleineren Studienprogrammen, die Teil von jedem Konvent sein sollten (vgl. M. Michèle Mulchahey, ‚First The Bow is Bent in Study‘. Dominican Education Before 1350, Toronto, PIMS 1998). Albert scheint an den Konventen in Freiburg im Breisgau, Regensburg, Straßburg und vielleicht auch zurück in Köln doziert zu haben, bevor er aufgrund erwiesener Begabung in der ersten Hälfte der 1240er Jahre für weitere Studien nach Paris gesandt wurde.

Das bedeutet, dass Albert ziemlich in der Planungs- und Gründungszeit der ersten ständigen Niederlassung der Dominikaner in Freiburg als Konventsmitglied und Konventslektor mitgewirkt haben könnte. Die Dominikaner dürften nach ihrer Ankunft in Freiburg kurz nach 1230 zunächst wenige Jahre in temporären Unterkünften in Freiburg unterbracht worden sein, bevor sie 1235/36 mit der Genehmigung und dem Baubeginn der eigenen Klosterkirche und einer eigenen Klosteranlage beginnen durften. Eine Urkunde aus dem Jahr 1238 verortet diese Klosteranlage der Dominikaner im Ortsteil Unterlinden als „inter duas ripas“, „zwischen zwei Böschungen“, wobei vermutlich die nördlichen und westlichen Stadtgräben gemeint waren, die auch die Grenzen des Klosterareals bildeten. Nach den Forschungen von Monika Porsche waren die Stadtgräben zu dieser Zeit etwa drei Meter tief und 18 Meter breit und wurden nur bei unmittelbarer Kriegsgefahr mit Wasser gefüllt.

Das Bild zeigt die älteste Darstellung des Predigerklosters auf dem Sickingerplan von 1589 (mit Predigerkloster und Predigerturm).

Wirken auf verschiedenen Gebieten

Aus diesen frühen Lektorenjahren Alberts kennen wir übrigens auch sein Erstlingswerk De natura boni, das im Ausgang von Lk 18,19 die Bezeichnung von Gott und der Natur in Nähe und Ferne zueinander als „gut“ zu verstehen versucht. Das Lebenswerk Alberts wird diesem Verhältnis von Gott und Natur immer auf der Spur bleiben. Weniger durch fahle Kompromisse als vielmehr durch gründliche Einfühlung und überraschende Einsichten auf ganz verschiedenen Gebieten wirkte Albert „inter duas ripas“, um die Klüfte seiner Zeit zu überbrücken: zwischen Natur und Gnade, Erfahrung und Glauben, Philosophie und Theologie, zwischen Denkern im Christentum, Heidentum und Islam, auch zwischen den Spannungen zwischen Bürgertum und Episkopat, Gesellschaft und Kirche, zwischen Belesenheit und Originalität, Wissenschaft und Mystik, überlieferter Autorität und eigenem Experiment sowie zwischen bisher nur partiell beachteten aristotelischen und platonischen Traditionen. Es war diese hohe Kunst, einigen der Grabenkämpfe seiner Zeit zu entkommen, die ihm den Beinamen „Magnus“ eingebracht hat.

Auf Lehrstuhl nach Paris berufen

Nach Paris gesandt, schloss Albert nach wenigen Jahren als „Sententiarius“ für systematische Theologie i.J. 1245 seine Studien dort erfolgreich ab und wurde auf den zweiten (den nicht-französischen) Lehrstuhl der Dominikaner an der Theologischen Fakultät in Paris berufen. Als er dann ab 1248 (in Begleitung seiner sehr unterschiedlichen Studenten Thomas von Aquin und Ulrich von Straßburg) das Generalstudium in Köln aufbaute, galt sein Unterricht, dessen Themen er nun selbst bestimmen konnte, auch zwei Autoritäten, die zu dieser Zeit in Paris besonders kontrovers waren: Aristoteles und auch Dionysius Ps.-Areopagita (vgl. die Rügen der Fakultät und des Bischofs von Paris 1241-1244 für die dominikanische Auslegung dieses christlichen Neuplatonikers). Albert beginnt einen umfassenden Kommentar der Omnia opera von beiden dieser oft missverstandenen Autoren.

Albert als Provinzial

Alberts Talent für eigenständige Synthesen zeigte sich auch in zahlreichen praktisch-pastoralen Bereichen. 1254 –1257 diente Albert als Provinzial der Teutonia. Er visitierte fast alle der inzwischen 40 Dominikaner-Konvente auf seinem Gebiet, zusätzlich die 20 Frauenklöster, zu denen seit 1234 auch das gut vernetzte Kloster Mariä Verkündigung in Adelhausen zählte: knapp außerhalb der damaligen Stadt Freiburg (heute im Ortsteil Wiehre). In den Jahren 1252 und 1258 vermittelte Albert bei dem streckenweise gewaltsamen Dauerstreit zwischen den Bürgern der Stadt Köln und deren Erzbischof Konrad von Hochstaden („Kleiner Schied“ und „Großer Schied“).

Albert als Bischof von Regensburg

Bei der Umbettung der sterblichen Reste Alberts in die Kirche St. Andreas in Köln Ende der 1950er Jahre wurde auch der Holzkrumme von Alberts Bischofsstab entdeckt (vgl. Hugo Stehkämper u.a., Hrsg., Albertus Magnus. Ausstellung zum 700. Todestag (Katalog) Köln 1980). Diese Entdeckung fügt sich gut in das Bild, das wir auch sonst vom Regensburger Episkopat Alberts kennen. Nachdem der Vorgänger-Bischof von Regensburg wegen finanzieller Missstände abgesetzt wurde, wurde Albert 1260 von Papst Alexander IV zum Bischof von Regensburg bestellt. Trotz kritischer Stimmen aus dem Predigerorden nahm Albert die Aufgabe an, die er aber mit den Ressourcen des Bettelmönches bewältigte. Er kam in sein Bistum nachts und fast unbemerkt an, ohne Hofbeamte und ohne Kutsche, zu Fuß in bäuerlichen Bundschuhen statt in Stiefeln, bald wohl mit einem Bischofsstab aus Holz statt aus Edelmetall. In knapp zwei Jahren hat er die finanzielle Lage des Bistums saniert und geordnet und trat als Ordinarius zurück.

Rückkehr zu den Klöstern

Albert kehrte zu den Aufgaben und den Klöstern der Dominikaner zurück. Sein relatives Desinteresse an persönlicher Macht und am Reichtum eines Bischofs hatte dem Ansehen und der Effizienz des Amtes gut getan. Wieder einmal zeigte der Genius Alberts in seinem überraschenden Zugang zu nova et vetera, der nach dem Wort Jesu (Mt 13,52) jenen Schriftgelehrten auszeichnet, der Jünger des Himmelreiches geworden ist.

Kleines Bild oben: Von Gisela Bär 1963 geschaffene Skulptur Albertus Magnus.