Abschied von der Ludwigstraße

Die Gemeinschaft der Dominikaner St. Albert in der Ludwigstraße blickt auf eine lange und reiche Historie zurück. Aus Altersgründen mussten jedoch mit Ende August 2023 hier im Filialhaus des Dominikanerkonventes St. Martin die pastoralen Aktivitäten eingestellt werden – u.a. war die kleine Kapelle der Gemeinschaft stets ein gesuchter Ort für den Verkündigungsauftrag des Dominikanerordens gewesen. Am 27. August 2023 feierte Pater Prof. Dr. Wolfgang Müller im Beisein des Provinzials der süddeutsch-österreichischen Provinz, Pater Thomas G. Brogl OP, einen Abschiedsgottesdienst.

Bei dem Gottesdienst würdigte der Provinzial das Wirken der Brüder bis ins hohe Alter, das besonders auch vielen Menschen, die sich eher am Rande der Kirche sahen, Heimat und Stimme gegeben habe. Dabei wurde nicht nur im Dialog zwischen der Theologie und verschiedenen Wissenschaften gesucht, wie sich in diesem Spannungsfeld Glaube artikulieren könne; vielmehr wurde auch den zeitgenössischen Künsten Raum gegeben, den Glauben neu zu formulieren. Die Brüder hatten eine Plattform für Gespräche angeboten, die dem Dialog Gesellschaft/Kirche, Theologie, Politik und Wissenschaften gewidmet waren. Mitbrüder waren zudem in der Schul- und Kunstseelsorge engagiert. Dabei wirkten sie auch in den politischen Bereich der Stadt hinein.

Mit den Jahren ist die Gemeinschaft jedoch immer kleiner geworden. Den Verkündigungsauftrag des Ordens übernahm mit der Zeit die neue Gemeinschaft der Dominikaner an St. Martin in der Freiburger Innenstadt, der jetzige Konvent mitten im belebten Freiburg. Die kleine Gemeinschaft in der Ludwigstraße wurde zum September aufgelöst.

Blick in die Vergangenheit

Ein Blick zurück in die Vergangenheit zeigt das große Engagement der in der Ludwigstraße ansässigen Dominikaner: Nachdem die Predigerbrüder nach rund 150-jähriger Abstinenz 1934 nach Freiburg zurückgekehrt waren, hatten sie auf der Ludwigstraße am Schlossberg in einem ehemaligen Studentenheim mit angebauter Kapelle ihren neuen Sitz eingerichtet. Im Jahr 1939 wurde dieser zum Konvent, zum Dominikanerkloster St. Albert, erhoben.

Die wenigen Jahre des friedlichen Neuanfangs der Dominikaner in Freiburg endeten ziemlich abrupt mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Bereits in den ersten Kriegstagen wurden Brüder zur Armee eingezogen, zudem mussten viele der Freiburger Dominikaner aufgrund ihrer Schweizer Nationalität das Staatsgebiet Deutschlands verlassen. Die wenigen verbliebenen Mitbrüder wirkten während des Krieges als Aushilfsgeistliche für Predigt und Beichtstuhl in der ganzen Stadt. Beim Luftangriff am 27. November 1944, der fast die ganze Altstadt in ein Trümmerfeld verwandelte, wurde auch das Dominikanerkloster am Schlossberg so weit zerstört, dass sich die Brüder auf wenige, notdürftig hergerichtete Zimmer zurückziehen mussten. Der Tatkraft des damaligen Priors Meinrad Schumpp war die rasche Renovierung der Anlage zu verdanken, die 1951 fertig gestellt war.

1952 beschloss das Provinzkapitel, den Standort Freiburg mit einem Juvenat, einer Art Wohn- und Betreuungsinternat für Kinder und Jugendliche aus der Umgebung, auszubauen. Im Jahr 1954 zählte der Freiburger Konvent immerhin 14 Juvenisten. Allerdings machte der Platzmangel diesem Projekt im Schuljahr 1957/58 ein schnelles Ende. Hinzu kam, dass aufgrund des Ausbau des Schulnetzes auf dem Land in den 1950er Jahren solche Juvenate immer weniger nötig wurden.

1958: Start der „Gesprächskreise“

Unterstützt durch einen Generationenwechsel in der Besetzung ihres Konvents richteten die Freiburger Dominikaner sich konsequent auf ein intellektuelles Apostolat aus: 1958 wurde mit den „Gesprächskreisen“ begonnen. Ziel war es, die aktuellen Probleme der Zeit, der gesellschaftlichen und naturwissenschaftlichen Entwicklungen, aber auch der weltanschaulichen Neubestimmung des Denkens und Handels auf der Grundlage der Theologie des Thomas von Aquin und der dominikanischen Spiritualität mit daran interessierten Menschen zu besprechen. Konkret lief dieses intellektuelle Apostolat über Predigtreihen in der Klosterkapelle, Vortragsreihen in einem Saal des Klosters und über sich regelmäßig treffende Arbeitskreise. Dadurch gelang es dem Konvent, im Bewusstsein der Stadt ständig präsent zu sein und mit den unterschiedlichsten Partnern im Gespräch zu bleiben, obwohl seine Personaldecke immer kürzer wurde und der zeitpolitische und gesellschaftliche Wind den Klöstern ins Gesicht blies. Freiburger Dominikaner waren darüber hinaus im Religionsunterricht an Schulen, als Studentenseelsorger, in anderen Wissenschaften und im künstlerischen Bereich sehr aktiv.

2004: Zweite Niederlassung

Als sich Mitte der 1990er-Jahre die Nachwuchszahlen der süddeutsch-österreichischen Ordensprovinz wieder stabilisiert hatten, sollte auch die Zahl der in Freiburg anwesenden Mitbrüder verstärkt werden. So wurde 2004 in der Erwinstraße eine zweite Niederlassung des Konvents eröffnet, in der Studenten des Ordens der Besuch der Freiburger Universität ermöglicht werden konnte. Außerdem entwickelte sich die zweite Niederlassung zu einem Stützpunkt für dominikanische Seelsorger der Hochschulgemeinde und der Hochschulen Offenburg-Kehl.

2009: Übertragung der Kirche St. Martin

Der Erzdiözese, die zu dieser Zeit die Seelsorge im Bereich Freiburg-Mitte konzeptionell neu ordnete und die pastoralen Zielsetzungen im Innenstadtgebiet veränderte, kamen die Bemühungen des Ordens um eine Verstärkung seiner Präsenz in der Stadt entgegen. So wurde den Predigerbrüdern im Januar 2009 die ehemalige Franziskanerkirche St. Martin am Rathausplatz in der Innenstadt Freiburgs übertragen, mit dem Ziel der Schaffung eines neuen Klosters und der Einbindung dominikanischer Kräfte in die Cityseelsorge. Am 10. Februar 2012 wurde hier der neue Konvent St. Martin errichtet.

2012: Konvent an der Ludwigstraße wird Filialhaus

Zum einen hatte der Standort in der Ludwigstraße nicht mehr genug Platz für alle Brüder geboten, und zum anderen wollten die alten Brüder den jüngeren die Möglichkeit bieten, am Rathausplatz einen Neuanfang zu wagen und ihr „eigenes Projekt“ zu verwirklichen. So wurde nach 73 Jahren seines Bestehens der Konvent St. Albert an der Ludwigstraße im Jahr 2012 niedergelegt und seitdem als Filialhaus des neuen, heutigen Konventes St. Martin, geführt.

Insgesamt war das Wirken der Brüder in der Ludwigstraße für Freiburg nicht nur innerkirchlich, sondern besonders auch gesellschaftlich sehr prägend.

(Fotos: Reproduktionen aus dem Artikel „Freiburg im Breisgau und der Predigerorden“, in: „Dominikus. Leben und Wirken der Dominikanischen Familie in Süddeutschland und Österreich“, Heft 2009/2010.)